Bioinvasion nimmt zu

Studie mit Konstanzer Beteiligung zeigt: Anzahl der weltweit neu registrierten gebietsfremden Arten ist höher als jemals zuvor.

Die Anzahl gebietsfremder Arten nimmt kontinuierlich zu, und es gibt weltweit keine Anzeichen, dass dieser Trend abebbt. Dies berichtet ein internationales Team aus 45 Forschern, zu dem auch der Konstanzer Ökologe Prof. Dr. Mark van Kleunen gehört, im renommierten Fachjournal „Nature Communications“. Dem zufolge hat im Lauf der letzten zweihundert Jahre die Rate der Erstmeldungen gebietsfremder Arten stetig zugenommen. Allein zwischen 1970 und 2014 wurde ein Drittel aller jemals als gebietsfremd deklarierten Arten registriert.

„Es war bisher unklar, ob damit die Spitze des Eisbergs schon erreicht ist“, so Dr. Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) in Frankfurt. Der Erstautor der Studie hat nun eine Antwort: „Die Anzahl gebietsfremder Arten hat in den letzten 200 Jahren bei allen Organismengruppen ununterbrochen zugenommen. Die Rate der Einführung ist gegenwärtig in vielen Fällen sogar am höchsten. Mit Ausnahme von Säugetieren und Fischen gibt es keine Hinweise auf eine Abschwächung des Trends.“ Mark van Kleunen, einer der Co-Autoren des Artikels, erwartet, dass sich die Zahl der gebietsfremden Arten in der näheren Zukunft weiter erhöhen wird – „als eine Konsequenz des Klimawandels, der es vielen der gebietsfremden Pflanzen in unseren Gärten erlaubt, über den Zaun zu springen und sich in der freien Natur zu etablieren“, sagt der Professor für Ökologie an der Universität Konstanz voraus.

In dem gemeinsamen Forschungsprojekt erstellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Datenbank, die Angaben zum Erstfund einer gebietsfremden Art außerhalb ihres Heimatgebiets beinhaltet. Über 45.000 dieser Erstfunde von über 16.000 Arten sind dort verzeichnet – genug Material, um die Geschichte der Neuankömmlinge in den letzten Jahrhunderten nachzuvollziehen.

37 Prozent aller Erstfunde wurden demnach in den letzten Jahrzehnten von 1970 bis 2014 registriert. Global wurden bis zu 585 neueingewanderte Arten jährlich entdeckt. Das entspricht weltweit mehr als 1,5 neuen Arten pro Tag. „In vielen Fällen ist aber nicht bekannt, wann genau eine gebietsfremde Art zum ersten Mal aufgetaucht ist. Diese Zahl unterschätzt daher die tatsächliche Tragweite der Bioinvasion deutlich“, erklärt Dr. Franz Essl von Universität Wien, zweiter Leiter der Studie.

Die beobachteten Trends variieren deutlich zwischen den Organismengruppen. Ihre Ursache ist häufig menschliches Handeln. „Wir beobachten, dass die Erstfunde bei Gefäßpflanzen bereits im 19. Jahrhundert zunahmen, was vermutlich auf den damaligen Boom im Gartenbau zurückgeht. Organismen wie Insekten, Muscheln oder Algen hingegen wurden vor allem seit 1950 in zunehmendem Maße außerhalb ihrer Heimatregion registriert. Das hängt sehr wahrscheinlich mit der Globalisierung zusammen“, so Seebens, der 2008 am Limnologischen Institut der Universität Konstanz promoviert wurde.

Der beispiellose Anstieg der Anzahl gebietsfremder Arten kann zu einer hohen Belastung der Umwelt führen, da einheimische Arten verdrängt und ganze Ökosysteme verändert werden können. Außerdem gleichen sich pflanzliche und tierische Artengemeinschaften weltweit immer mehr an, so dass regionale Unterschiede verloren gehen. Gesetze und Abkommen rund um den Globus zielen daher darauf ab, die Ausbreitung gebietsfremder Arten einzudämmen. „Unsere Studie zeigt aber, dass diese Anstrengungen nicht weitreichend genug waren, um mit dem Anstieg neuer Arten aufgrund der fortschreitenden Globalisierung Schritt zu halten. Es ist daher dringend notwendig, effektivere Maßnahmen zur Eindämmung auf allen Ebenen zu implementieren“, appelliert Essl.

Faktenübersicht:

  • 37 Prozent aller Erstfunde wurden in den letzten Jahrzehnten von 1970 bis 2014 registriert
  • Erstellung einer Datenbank mit Angaben zum Erstfund einer gebietsfremden Art außerhalb ihres Heimatgebiets
  • Verzeichnis von über 45.000 Erstfunde von über 16.000 Arten
  • Die 1817 gegründete Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Frankfurt am Main und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft

Originalveröffentlichung:

Seebens et al.: No saturation in the accumulation of alien species worldwide. Nature Communications 8:14435 | DOI: 10.1038/ncomms14435